Nachwehen der Pandemie sorgen weiterhin für Startschwierigkeiten

Was will ich mal werden und wie gelingt der Start in Ausbildung und Beruf? In der Pandemie sind Unsicherheit und Zukunftssorgen vieler junger Menschen gewachsen. Dabei gibt es viele Hilfsangebote.

Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres kämpfen in Deutschland viele junge Menschen mit Startschwierigkeiten in Ausbildung und Berufsleben. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) führt dazu zum Beginn des Ausbildungsjahres 2023/24 aus: „Ein Mangel an Beratungsangeboten und Praktikumsplätzen erschwerte die Berufsorientierung während der Corona-Pandemie. Das wirkt nach und führt dazu, dass vielen jungen Leuten die Auswahl schwerfällt und sie Entscheidungen hinausschieben.“ Die Folgen zeigen sich auch auf dem Ausbildungsmarkt, wo zuletzt nach jüngsten Daten der BA Ende August 2023 noch 177.000 Plätze bundesweit unbesetzt waren.
Die BA führt weiter aus, dass es vor allem an Schnittstellen zwischen den Schulen und Unternehmen hapert. So sei es trotz starker Personalengpässe beim für den Nachwuchs weiterhin nicht einfach, einen Praktikumsplatz im Wunschberuf zu finden. Obwohl Ausbildungsmessen und ähnliche Angebote wieder so wie vor der Pandemie stattfinden können, hätten es Unternehmen noch immer schwer, mit Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu treten. „Hier müssten Schulen und Betriebe noch stärker aufeinander zugehen, unterstützt von der Bundesagentur für Arbeit und lokalen Akteuren“, so der Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der BA, Prof. Bernd Fitzenberger.

Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. So haben Förderverein und Elternbeirat der Realschule Neubiberg bereits im Jahr 2017 erstmals eine Berufsmesse mit dem Fokus auf Ausbildung und Praktika organisiert. Wie viele solcher Initiativen begann sie in überschaubarem Rahmen mit knapp 20 ausstellenden Betrieben und einem kleinen Rahmenprogramm. Der Vorstand des Fördervereins nutzte auch während der Pandemie gemeinsam mit der Schulleitung alle Möglichkeiten der jeweiligen Eindämmungsverordnungen, um unter Sicherheitsaspekten Präsenzveranstaltungen durchzuführen. Lediglich im Jahr 2020 fiel die Messe gänzlich aus, aber der Kontakt zu den Betrieben im Südosten von München riss nie ab und so konnten bereits wieder in den Jahren 2022 und 2023 reguläre Ausbildungsmessen mit wachsender Beteiligung, sowohl hinsichtlich der Aussteller als auch der Besuchenden, durchgeführt werden.

Das Feedback der betrieblichen Partnerinnen und Partner ist stets positiv, viele Ausbildungsverträge und Praktika zum „Reinschnuppern“ konnten und können im unmittelbaren Nachgang zu dieser jährlich stattfindenden Messe abgeschlossen werden. Längst beschränkt sich der Fokus nicht nur auf die veranstaltende Realschule Neubiberg, sondern es wird der Großraum des südöstlichen Landkreises München und darüber hinaus angesprochen. Dies bringt es mit sich, dass zunehmend auch Schülerinnen und Schüler sowie Betriebe aus der Stadt München „rechts der Isar“ und den angrenzenden Landkreisen zur Messe kommen.

„Viele Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen haben nur eine vage Vorstellung davon, was es an Berufen gibt“, sagte die Fördervereinsvorsitzende Gitta Svoboda Ende April 2023 anlässlich der Messe. Deshalb entschieden sie sich dann oftmals für einen der klassischen, weil weithin bekannten Ausbildungsgänge wie Kfz-Mechatroniker oder Verkäufer – obwohl das vielleicht gar nicht ihren Neigungen und Stärken entspreche. Dabei habe sich gerade beim Ausbildungsangebot in Breite und Tiefe sehr viel getan. „Das müssen die Jugendlichen wissen. Daher können junge Menschen auf der Messe auch Kenntnisse und eine Orientierung zu Branchen und Berufsbildern bekommen“, ergänzte Svoboda.

Zumal die Chancen für junge Leute so gut sind, wie vielleicht noch nie in der jüngeren Geschichte. Die schulischen Leistungsstände hätten sich während der Pandemie zwar im bayernweiten Schnitt etwas verschlechtert, formuliert die Arbeitsagentur, doch bekämen angesichts des Fachkräftemangels jetzt auch mehr leistungsschwächere bzw. förderbedürftige Jugendliche Chancen seitens der Betriebe als noch in der nahen Vergangenheit.

Unabhängig davon bietet neben dem Förderverein auch das Berufsinformationszentrum (BIZ) der BA München Unterstützung bei der Beratung, bis hin zu Themen wie eine assistierte Ausbildung oder die Einstiegsqualifizierung.

Neben solchen Hilfen für Auszubildende überlegen auch Betriebe und Berufsschulen, wie sie den jungen Menschen den Einstieg erleichtern können – von niedrigeren Hürden für Jugendliche, die keine Einserabschlüsse vorweisen können, über eine faire Bezahlung bis hin zur Konzeption von Prüfungen; dies auch vor dem Hintergrund eines mittlerweile hohen Anteils an Auszubildenden mit ausländischen Wurzeln, wo Deutsch im familiären Umfeld häufig nicht die Umgangssprache ist.
Auch in den Unternehmen stellt man sich derweil immer stärker auf junge Menschen mit Startschwierigkeiten ein, wie der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks, sagt. „Unsere aktuelle DIHK-Ausbildungsumfrage zeigt: 80 Prozent der Ausbildungsbetriebe haben Angebote, um junge Menschen mit Defiziten zu fördern und in Ausbildung zu bringen. 35 Prozent haben sogar ein eigenes Nachhilfeangebot.“ Drei von vier Ausbildungsbetrieben wollten zudem ihre Angebote in der beruflichen Orientierung weiter ausbauen. So soll es künftig mehr Schülerpraktika geben – 61 Prozent der Betriebe planen dies der Umfrage zufolge.

Für dieses Ausbildungsjahr zeigte sich Dercks insgesamt zuversichtlich – auch wenn die Lage am Ausbildungsmarkt nach wie vor angespannt sei. Hier schlage vor allem der demografische Wandel durch, durch den es rund 100.000 weniger Schulabgängerinnen und -abgänger gebe als noch vor zehn Jahren. „Umso erfreulicher ist, dass sich die Zahl der Ausbildungsverträge im IHK-Bereich zuletzt positiv entwickelte“, erklärte Dercks. „Insgesamt bestehen gute Aussichten, dass 2023 mehr Betriebe und Azubis über einen Ausbildungsvertrag zueinander finden als im Vorjahr.“